Zur Vorgeschichte
Das große Gebäude mit den Doppeltürmen in Celle
Das übergroße Gebäude mit den charakteristischen Doppeltürmen steht auf historischem Boden in Celle. Es wurde 1869 als "Caserne auf dem Wildgarten" gebaut, aber die meisten Leute nannten es "die Heidekaserne".
Die Geschichte des Wildgartens
Der Wildgarten war einst ein Tiergarten des Celler Herzogshauses. Der Heger, der sich um die Tiere kümmerte, wohnte auf einer kleinen Insel inmitten des Gartens. Diese Insel war von einem Wassergraben umgeben, über den im Norden eine kleine Brücke führte.
Im Jahr 1664 wurde auf dem Gelände ein herzogliches Jagdhaus gebaut, das "Lusthaus" genannt wurde. Fünf Jahre später, im Jahr 1669, wurde ein Eiskeller auf dem Gelände angelegt. Der Architekt Lorenzo Bedogni war für den Bau des Eiskellers verantwortlich.
Im Jahr 1777 wurde das Jagdhaus abgerissen, da es nicht mehr genutzt wurde. Die Welfen, die damals das Herzogtum Hannover regierten, hatten auch die englische Krone inne und kamen daher kaum noch in ihre Stammlande.
Nachdem die Wildhaltung aufgegeben wurde, nutzten die Celler Bürger das Gelände als Viehweide. Im Jahr 1777 wurde die Weideberechtigung auch vertraglich gesichert. Allerdings musste in Kauf genommen werden, dass das Gelände weiterhin als Truppenübungsplatz der Celler Garnison und als Festplatz für die Blumläger Schützen genutzt wurde.
Der Wildgarten als Ausflugsort
Der Wildgarten war auch ein beliebter Ausflugsort für die Menschen in Celle. Im Jahr 1766 wurde im ehemaligen Luntenspinnerhaus die Gastwirtschaft "Portechaise" eröffnet. Auf der Insel gab es außerdem seit 1816 eine erfolgreiche Klub- und Kaffeewirtschaft mit Saal und Kegelbahn. Diese musste jedoch im Jahr 1852 aufgegeben werden, da das hannoversche Kriegsministerium die Insel vom Magistrat für 1200 Taler erwarb und sie einebnete.
Ein erfolgloser Versuch
Ein unglückliches Intermezzo war der Versuch, auf dem Wildgarten eine Seidenraupenzucht zu etablieren. Die dazu bestimmten Maulbeerbäume gingen trotz mehrfacher Versuche und bester Pflege ein. Die Investitionen waren nicht rentierlich und das Vorhaben wurde im Jahr 1860 eingestellt. Der Straßenname "Maulbeerallee" erinnert noch heute an dieses etwas exotische Unterfangen.
Die Heidekaserne entsteht
Ab dem Jahr 1869 nutzte die Militärverwaltung den gesamten Wildgarten für ihre Zwecke. Eine Ausnahme bildete lediglich die Hostmann-Steinberg'sche Schwärzefabrik für Druckfarben, die seit 1823 dort ansässig war.
Bis 1866 gab es im Königreich Hannover keine gesetzliche Wehrpflicht. Die Berufssoldaten der Celler Garnison hatten nur eine Kaserne, die des Cambridge-Dragoner-Regiments aus dem Jahr 1842. Darüber hinaus waren sie in Bürgerhäusern über das gesamte Stadtgebiet einquartiert.
Nach der Annexion des Königreiches Hannover durch Preußen im Jahr 1866 als Folge des deutsch-österreichischen Krieges wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Mit ihr kam auch ein umfangreiches militärisches Bauprogramm in Gang. Für zwei Bataillone des traditionsreichen Hannoverschen Infanterie-Regiments Nr. 77 wurde ab 1873 die "Große Infanterie-Kaserne" bereitgestellt. Der Bau der Kaserne begann allerdings bereits im Jahr 1869. Die Cellesche Zeitung berichtete am 7. September desselben Jahres, dass die Maurerarbeiten den Maurermeistern Heyer und Schulze aus Celle sowie Ilse aus Hannover übertragen wurden.
Die Heidekaserne war eine der größten militärischen Anlagen im damaligen Deutschen Reich. Der 181 m lange, 4 1/2-geschossige Backsteinbau bot Raum für 1200 Personen in 300 Räumen. Die Mannschaftsräume hatten eine Breite von 5,95 m und eine Tiefe von 9,50 m; hier waren 24 Soldaten in 3-stöckigen Betten untergebracht. Die Seitenflügel waren den Unteroffizieren und Offizieren vorbehalten sowie - wenn vorhanden - auch deren Familien.
Über die Baukosten ist nichts bekannt, vermutet wird, dass das Gebäude aus dem sog. Welfenfonds bezahlt wurde. Dieser Fonds beinhaltete das Privatvermögen König Georgs V., das von den Preußen 1868 beschlagnahmt und auf eine Summe von 16 Mio Talern festgesetzt wurde.
Der Stil des Gebäudes ist der der Neugotik, der Stil also, dem sich das damalige preußische und protestantische Herrscherhaus verpflichtet fühlte.
Von der Kaserne zum Verwaltungssitz
Nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1919 wurde das "Heideregiment" aufgelöst. In der Folgezeit der Weimarer Republik und in der Nazizeit gab es wechselnde Besatzungen in der Heidekaserne. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten die britischen Streitkräfte das Gebäude. Im Jahr 1992 zogen sie endgültig aus der Heidekaserne aus.
Die nachfolgende Chronik zeigt den schwierigen Weg eines traditionsreichen militärischen Gebäudes bis hin zur friedlichen Nutzung als neues Rathaus der Stadt Celle.
Chronik
Dezember 1991
Kolloquium von Rat und Verwaltung über die Nachnutzung der Heidekaserne. Einvernehmliches Ergebnis: Nutzung der großen Kasernengebäude für Zwecke der Stadtverwaltung und Aufgabe des bisherigen Standortes Verwaltungsgebäude am Nordwall. Neben Parkflächen sollten auch Wohnnutzungen entstehen.
März 1992
Grundsatzuntersuchung des Hochbauamtes über die Machbarkeit bzw. Umsetzbarkeit des vorhandenen Raumprogrammes für die Stadtverwaltung. Zwischenergebnis: die Gebäude sind für die angedachte Nutzung grundsätzlich geeignet.
Mai 1992
Der Verwaltungsausschuss beschließt, dem Architekten, Dipl.-Ing. Ivan Kozjak (Hannover) mit der weiteren planerischen Untersuchung zu beauftragen. Das Hochbauamt übernimmt die Projektleitung.
Frühsommer 1992
Durch den Stadtkämmerer Gonell werden erste Ankaufverhandlungen mit der OFD Hannover (Oberfinanzdirektion) aufgenommen.
Dezember 1994
Nach intensiven Verhandlungen zwischen der OFD und der Stadt Celle, vertreten durch den Stadtkämmerer, konnte der Kaufvertrag für das rund 12 h große Heidekasernengelände abgeschlossen werden. Die ersten Kaufpreisvorstellungen vonseiten der OFD beliefen sich auf rund 27 Mio. DM. Beim Abschluss des Vertrages wurden rund 16,2 Mio. DM (ca. 8,28 Mio. €) vereinbart.
Januar 1995
Übergabe des Geländes an die Stadt.
Oktober 1996
Abschluss des ersten Bauvertrages.
November 1996
Beginn der Baumaßnahme
Im November 1996 konnte mit den Arbeiten des ersten Gewerkes, Abbrucharbeiten von tragenden und nichttragenden Teilen, begonnen werden. Die Fertigstellung dieser Baumaßnahme ist bis zum Frühjahr 1999 vorgesehen. Hierbei ist nicht nur der Umbau des Kasernengebäudes in ein Verwaltungsgebäude gemeint, sondern auch die Fertigstellung der Außenanlagen. Zur Nord-, Ost-, und Westseite des Gebäudes sind hauptsächlich Parkplätze für Mitarbeitende der Stadt Celle und der Besucher geplant und teilweise schon entstanden. Auf der Südseite ist ein etwa 1,7 Hektar großer Stadtgarten angelegt worden, der im Sommer 1998 fertig erstellt wurde. Dieser verbindet das zukünftige Verwaltungsgebäude mit dem umgebauten Jugend- und Sozialamt der Stadt Celle, das bereits seit dem Spätsommer 1996 genutzt wird.
Frühjahr 1999
Fertigstellung der Maßnahme
Es wurden ca. 48 Gewerke beauftragt. Davon wurden ca. 35 % von hiesigen Firmen abgewickelt. Die geschätzten Baukosten von ca. 40,5 Mio. DM (ca. 20,7 Mio. €) wurden unterschritten, so dass zusätzlich die Alte Exerzierhalle (Gebäude 9) in eine Ausstellungshalle denkmalgerecht umgebaut werden kann.