Hauptmenü
Inhalt
ALLRIS - Auszug

25.03.2021 - 10 Änderung der Satzung über die Benutzung und die...

Beschluss:
ungeändert beschlossen
Reduzieren

Wortprotokoll

Ratsfrau Uca vertritt die Auffassung, dass die vorliegende Satzung über die Benutzung und die Gebühren der Obdachlosenunterkünfte rechtswidrig sei. Damit schließe sich ihre Fraktion der Bewertung durch den Nieders. Flüchtlingsrat an. Das zentrale Problem liege darin, dass in die Satzung, die ursprünglich für Obdachlosenunterkünfte gedacht war, die Vergabe von Wohnungen an Geflüchtete mit hineingenommen worden sei. Bei Obdachlosenunterkünften sei die Gebührenrechnung vielleicht sinnvoll. Doch bei den Geflüchteten sei dies in der Regel völlig anders. Hier werde einer Familie eine abgeschlossene Wohnung zugewiesen. Es könne somit grundsätzlich nachvollzogen werden, wie hoch die Kosten für Strom und Heizung sind. Mit dieser Satzung werde jedoch eine sparsame Familie über den Durchschnittsverbrauch aller Familien dem Grunde nach „bestraft“. Noch deutlicher werde dies beim Strom, denn es widerspreche der deutschen Sozialgesetzgebung, die Stromkosten auf der Basis von Quadratmetern abzurechnen. Es sei heutzutage über einen Stromzähler - wie bei jeder normalen Vermietung - möglich, die Kosten einem bestimmten Haushalt zuzurechnen. Weiterhin bemängelt sie die enormen Erhöhungen, u. a. würden die Heizkosten um 52% und die Kosten für die Hausverwaltung gar um 96% steigen. Die sog. Nutzungsgebühren erhöhen sich damit insgesamt von 11,19 Euro auf 13,44 Euro pro Quadratmeter. Eine 75qm große Wohnungrde demnach 1.008,- Euro kosten. Über 300,- Euro seien dabei für die sog. Hausverwaltung vorgesehen. Beim Jobcenter liege die Obergrenze für eine 75qm große Wohnung bei 620,- Euro. Sicherlich übernehme das Jobcenter in diesen Ausnahmefällen problemlos auch die höheren Kosten. Doch für die Geflüchteten beginne das Problem dann, wenn sie eine Arbeit gefunden haben. Dann hätten sie auf einmal Mietkosten, die wahrscheinlich in keinem Verhältnis zu ihrem Lohn stehen.r den Rat beginne das Problem spätestens heute, wenn es eine Mehrheit für eine rechtswidrige Satzung gibt. Die Fraktion DIE LINKE/BSG werde hier nicht zustimmen.

 

Ratsherr Gerlach erklärt, dass er der Änderung der Satzung über die Benutzung und die Gebühren der Obdachlosenunterkünfte in der Stadt Celle nicht zustimmen wird. Bisher sei ihm nicht deutlich geworden, wieso und warum die Kosten steigen, obwohl doch der Bedarf zurückgegangen ist. Als einzige Erklärung sei für ihn übriggeblieben, dass der verwaltungstechnische Aufwand nach der Zeit der großen Flüchtlingswelle im Jahre 2015 geblieben sei und jetzt auf die Übriggebliebenen umgelegt werden soll. Das könne seiner Meinung nach nur die Konsequenz haben, dass entweder der Verwaltungsaufwand verringert oder die Anzahl derer, die hier Asyl benötigen, erhöht wird. Die Flüchtlingslager an Europas Außengrenzen seien hoffnungslos überfüllt und die Menschen rden dort unter unmenschlichen Bedingungen leben und sterben. Hierauf habe die Stadt natürlich keinen direkten Einfluss, man könnte aber ein Signal der Aufnahmebereitschaft an die Landesregierung schicken. Doch er bezweifelt, dass es dafür eine Mehrheit im Rat geben wird. Weiterhin sei ihm - trotz der sehr präzisen und professionellen Darlegung der Gründe für die Gebührenerhöhung - ein gewisser Realitätsverlust in der Verwaltung aufgefallen, denn es gehe die Kunde um, dass obdachlose Flüchtlinge, so sie denn eine Arbeit fänden, durch die hohen Kosten der Unterkünfte, die sie dann im Falle einer Erwerbstätigkeit selber tragen müssten, motiviert werden, sich eine günstigere Bleibe zu suchen. Doch das Problem sei, dass es eben diesen Wohnraum, den sie benötigen, in Celle so gut wie gar nicht gibt. Potentielle Vermieter/innen für diese Leute stünden nicht gerade Schlange. Somit trete eher das Gegenteil ein, d. h. die in diesen Unterkünften lebenden Flüchtlinge seien - unter reiner Betrachtung des finanziellen Aspektes - viel eher bereit, erst gar keine Arbeit anzunehmen, da sie so viel bessergestellt sind und quasi umsonst wohnen. Hier erwarte er von der Verwaltung einfach mehr Fingerspitzengefühl, anstatt diese Angelegenheit mit dem eisernen Besen zum Problem derer zu machen, die ohnehin schon kaum etwas haben.

 

Ratsherr Engelen trägt vor, dass er große Probleme damit habe, wenn Ratsfrau Uca diese Satzung als rechtswidrig bezeichnet. Eher empfinde er diese Neufassung als ungerecht und deshalb werde die SPD-Fraktion die Verwaltungsvorlage ablehnen. Bezüglich der Abrechnung des Stromverbrauchs wünsche er sich ebenfalls andere Lösungen. Des Weiteren werde die Erhöhung der Wohnnebenkosten abgelehnt, da dies damit begründet werde, dass sich die Verwaltungskosten erhöht haben (u. a. wegen engmaschiger Begleitung der Mieter/innen). Aus Sicht der SPD-Fraktion seien das keine Wohnnebenkosten, sondern Kosten, die die Verwaltung zu tragen habe, da dieser Personenkreis mehr Begleitung benötigt. Dies stelle einen besonderen Hilfsbedarf dar, der nicht unter Wohnnebenkosten fallen dürfe.  

 

Ratsfrau Schiano berichtet, dass Gebührenerhöhungen generell unangenehm seien. Eine Kommune müsse stets eine kostendeckende Gebühr erheben. Wie die Fachverwaltung in den vorherigen Beratungen ausführlich dargestellt hat, würden die Geflüchteten ein anderes Heizverhalten zeigen. Wenn dieser Personenkreis in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wechselt, suchen sie sich in der Regel kostengünstigere Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt. Weiterhin merkt sie an, dass die Stadt die Anzahl der vorgehaltenen Wohnungen deutlich reduziert habe, da der Bedarf nicht mehr vorhanden ist. Wenn Geflüchtete in der Vergangenheit ausgezogen sind, seien oftmals die Kündigungsfristen nicht eingehalten worden; dem Vermieter musste dennoch die volle Miete gezahlt werden. In diesem Zuge seien auch die Kosten für die Renovierung der verlassenen Wohnung enorm gestiegen. Die CDU-Fraktion werde hier zustimmen.

 

Ratsherr Taubenheim führt aus, dass die in Rede stehende Gebührenerhöhung erforderlich sei, da die Mitarbeitenden der ZAS einen guten Job gemacht haben. Beispielsweise sei die Anzahl der angemieteten Wohnungen von rd. 200 auf 58 (per 30.12.2020) reduziert worden. Im Jahr 2021 werde die Anzahl voraussichtlich auf 50 gesenkt. Diese zeige, dass die Integration Früchte trägt, denn die Geflüchteten fänden mit Unterstützung der ZAS anderen Wohnraum. Die vermieteten Flächen seien um 66% reduziert worden, demgegenüber stehe lediglich eine Kostenreduzierung von 26 % bei den Hausverwaltungskosten. Folglich sei eine Gebührenerhöhung notwendig. Weitere Gründe seien die Heizkosten (im Jahr 2019 ein Defizit von rd. 37.000,-€); dieses ist bei den Kalkulationen entsprechend zu berücksichtigen. Laut Auskunft der Verwaltung seien keine Kosten der Sozialarbeit bei den Hausverwaltungskosten mit eingeflossen. Die CDU-Fraktion werde der Gebührenerhöhung zustimmen.

 

Ratsherr Biermann zeigt sich verwundert über den Theaterdonner, der hier von Links komme. Letztendlich zahle es sowieso der/die Steuerzahler/in und wenn diese Kosten angefallen sind, dann ist halt eine Gebührenanpassung notwendig. Wenn Ratsfrau Uca schon den Nieders. Flüchtlingsrat ins Spiel bringt, dann solle dieser auch die Geflüchteten engmaschig begleiten, damit das die Verwaltung nicht auch noch machen müsse. Dadurch könnten unnötige Mehrkosten durch falsches Heizverhalten usw. vermieden werden.  

 

Ratsherr Müller zeigt sich überrascht über die heutige skurrile Diskussion bezüglich des Heizverhaltens. Er sei der Meinung, dass keiner, egal ob Geflüchtete/r oder Celler Bürger/in, in seinen eigenen vier Wänden frieren möchte. Er betont, dass die Kostenerhöhungen nicht die Verwaltung tragen müsse, sondern diese Kosten würden quasi ausgelagert und entsprechend erstattet. Er weist darauf hin, dass Frau Uca regelmäßig geflüchtete Familien ehrenamtlich begleitet, um eine neue Bleibe zu finden. Die Ratsmitglieder könnten sie gerne mal begleiten, dann würden sie sehen, wie die Realität wirklich aussieht und wie hanebüchen die heutige Diskussion ist.  

 

Der Ratsvorsitzende weist darauf hin, dass Ratsherr Engelen die Erhöhung als nicht gerecht empfinde; dies sei seines Erachtens unproblematisch. Ratsfrau Uca habe jedoch von einer Rechtswidrigkeit der Gebührenerhöhung gesprochen. Er wolle ungern dem Rat einen Beschlussvorschlag unterbreiten, der ggf. ein rechtswidriges Ergebnis herbeiführt und bittet die Verwaltung um Auskunft, ob und inwieweit hier ggf. ein rechtlicher Abwägungsprozess stattgefunden habe.

 

Stadträtin McDowell vermutet, dass Ratsfrau Uca den Begriff der Rechtswidrigkeit aus dem Schreiben des Nieders. Flüchtlingsrates zitiert habe. Der Flüchtlingsrat habe diese Behauptung jedoch nicht begründet, sondern nur eine Reihe von Fragen folgen lassen, die die Verwaltung im Rahmen der Beratungen in den beiden zuständigen Fachausschüssen beantwortet hat. Sie widerspricht dem Eindruck, dass die geplante Gehrenerhöhung auf dem Rücken der Geflüchteten ausgetragen werde. Im abgerechneten Jahr 2019 seien aufgrund verschiedener Faktoren die Heizkosten gestiegen und man sei gesetzlich verpflichtet, die Gebühren entsprechend anzupassen. Ansonsten würde die Verwaltung nicht rechtskonform handeln. Derzeit gebe es zehn Selbstzahler, die diese Gebühr bezahlen müssten. Die Auszugsquote und -geschwindigkeit sei sehr hoch. Dadurch entstünden eben hohe Hausmeisterkosten (u. a. r Besuche, Kontrollen, Kleinreparaturen, Renovierungen). Sie betont, dass die Sozialarbeiterkosten nicht in die Gebührenberechnung mit einfließen würden und je weniger Selbstzahler/innen es gebe, desto höher werde der Anteil der Overheadkosten. Hinzu komme, dass in den letzten zwei Jahren rd. ein Drittel des vorhandenen Personals der Zuwanderungsagentur abgebaut worden ist. Der Vorschlag des Ratsherrn Gerlach, mehr Geflüchtete nach Celle zu holen, löse dieses Problem auch nicht, denn es handele sich hier um Geflüchtete, die Celle zugewiesen worden sind. Sie fände es gut, wenn das Thema Gebührenerhöhung versachlicht werden könnte.

 

Ratsfrau Rodenwaldt-Blank nimmt Stellung zu dem Begriff der Rechtswidrigkeit. Diesbezüglich zitiert sie aus dem Schreiben des Flüchtlingsrates (siehe Ziffer 3) wie folgt:

 

„Überzahlungen werden „obdachlosen Geflüchteten“ rechtswidrig nicht zurückgezahlt. Bei "Obdachlosen", die in angemieteten Wohnungen untergebracht sind, wird "Über die Betriebs-, Neben-, Heiz-und Stromkosten [...] eine jährliche Abrechnung erstellt. Sich daraus ergebende Nachzahlungen zählen zu den Betriebskosten, Guthaben werden mit den Benutzungsgebühren verrechnet oder ausgezahlt." Bei "obdachlosen Geflüchteten" soll eine derartige individuelle Abrechnung (weiterhin) nicht erfolgen." Etwaige Überzahlungen sollen vielmehr einbehalten werden.“

 

Sie bittet die Verwaltung um Erklärung. Stadträtin McDowell gibt dazu an, dass auch zu diesem Punkt schon in den beiden Fachausschusssitzungen inhaltlich Stellung genommen worden sei. Grundsätzlich gelte bei öffentlichen Einrichtungen, dass ein einheitlicher Gebührensatz erhoben wird. Aus dem Prinzip der Einheit der öffentlichen Einrichtungen folgt, dass der/die Benutzer/in keinen Anspruch darauf hat, nur mit den Kosten des von ihm/ihr tatsächlich in Anspruch genommenen Teils der Einrichtung belastet zu werden. Der dadurch im Interesse einer praktikablen einheitlichen Abgabenerhebung bewirkte Verzicht auf die Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse ist grundsätzlich hinzunehmen. Die Stadträtin verweist diesbezüglich auf diverse Gerichtsurteile, die bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden können.

 

Reduzieren

 

Danach beschließt der Rat mehrheitlich bei 16 Gegenstimmen die Änderung der Satzung über die Benutzung und die Gebühren der Obdachlosenunterkünfte in der Stadt Celle in der vorgelegten Fassung.

 

Reduzieren

Anlagen zur Vorlage